Der MBTI (die amerikanische Version von Jungs Typologie)
Der nach Katharine Briggs und ihrer Tochter Isabel Myers benannte „Myers-Briggs-Type-Indicator“ (MBTI) ist eine in den 60er Jahren in Amerika entwickelte Persönlichkeitstypologie. Sie fußt auf C.G. Jungs Persönlichkeitstheorie, die er in seinem 1921 erschienen Werk „Psychologische Typen“ vorstellte. Der MBTI ist aus mehreren Gründen wissenschaftlich umstritten (Details hierzu finden Interessierte bei Wikipedia). Er wird aber als Grundlage für Persönlichkeitstests hin und wieder auch in deutschen Unternehmen und zum Coaching eingesetzt.
Das MBTI-Modell ist eine Mischform aus dimensionaler und kategorialer Betrachtung. D.h. es nutzt vier gegensätzliche Paare von Persönlichkeitsmerkmalen (also Dimensionen) zur Beschreibung der Persönlichkeit, führt dann aber alle denkbaren Kombinationen aus diesen Merkmalen zu insgesamt 16 Typen zusammen. Die Tests führen also im Ergebnis dazu, jede Testperson in allen vier Dimensionen genau einem (extremen) Pol zuzuordnen. Ein solches Vorgehen kann weder berücksichtigen, ob sich Menschen in bestimmten Dimensionen eher ausgeglichen verhalten, noch ob sie situationsabhängig mal die eine, mal die andere Ausprägung zeigen. Dies ist meines Erachtens die größte Schwäche des Modells und gleichzeitig der deutlichste methodische Unterschied zu den ebenfalls in Unternehmen eingesetzten Persönlichkeitstests nach dem DISG-Modell.
Die vier Dimensionen, aus denen sich im MBTI die 16 Typen ableiten, lauten: *)
- Extraversion (Außenorientierung) vs. Introversion (Innenorientierung)
- Intuitive Wahrnehmung (Intuition) vs. Sinneswahrnehmung (Fakten und Details)
- Rationales Entscheiden (Denken) vs. Emotionales Entscheiden (Fühlen)
- Strukturorientierung (Planung) vs. Erfahrungsorientierung (Spontaneität)
Schauen wir uns die gegensätzlichen Pole anhand der ihnen zugeordneten Persönlichkeitsmerkmale an:
- Während der Extravertierte kontaktfreudig, umgänglich, ausdrucksstark und nach außen gewandt ist, ist der Introvertierte reserviert, ruhig, nachdenklich und nach innen gewandt.
(Die diesen Begriffen zugeordneten Merkmale sind inzwischen recht bekannt. Bei Interesse finden Sie zusätzliche Informationen hierzu im Abschnitt „Extrovertiert oder Introvertiert“.) - Der Intuitive ist ideenreich und fantasievoll, lässt sich von Ahnungen leiten und erkennt schnell Muster. Er fungiert gerne als Problemlöser und Ideenentwickler (aber nicht als Lösungsumsetzer) und ist ständig auf der Suche nach Wachstum und Verbesserung. Sein schnelles und tiefes Denken sowie sein ständiges Hinterfragen lassen ihn leicht die Zusammenhänge und Bedeutung von Ereignissen verstehen. Dagegen ist der Sinnesorientierte ein sorgfältiger Beobachter von Details und bevorzugt konkrete Erfahrungen. Fakten sind wichtiger als Möglichkeiten und so ermittelt er den Erfolg eines Tages an dem, was er erledigt hat. Wenn er mit neuen Ideen konfrontiert wird, sucht er spontan den Fehler im Gedanken.
- Der Rationale liebt die präzise Analyse und orientiert sich mit seinen Entscheidungen anhand objektiver Kriterien, Prinzipien und Gesetze. In seiner ruhigen, beharrlichen Art wägt er sorgfältig ab und erfasst schnell logische Zusammenhänge. Er ist skeptisch gegenüber spontanen Reaktionen oder Formulierungen und grübelt gerne ausgiebig, bevor er einen Standpunkt bezieht. Er legt Wert darauf, dass eine Darstellung ein Anfang und ein Ende sowie eine logische Abfolge hat. Der Emotionale hingegen sucht Harmonie, Intimität und Bestätigung im Kontakt mit Menschen. Er interessiert sich mehr für Menschen als für Zusammenhänge und ist lieber taktvoll als wahrhaftig. Er ist sowohl hilfsbereit als auch großzügig und fähig, gut zuzuhören sowie mitzuempfinden. Er interessiert sich in erster Linie für persönliche Inhalte und hat Antennen für die Bedürfnisse anderer.
- Der Strukturorientierte ist zielbewusst und entschlussfreudig und legt Wert auf planvolles Vorgehen und Termintreue. Kontrolle ist ihm sehr wichtig, Er arbeitet am liebsten an einem konkreten Produkt oder Projekt und bringt es zum Abschluss. Der Erfahrungsorientierte ist stets auf der Suche nach neuen Entdeckungen und Eindrücken. Er kann Dinge länger offen halten und sich flexibler an neue Informationen und Gegebenheiten anpassen.
Extraversion oder Introversion als Grundeinstellung dem Leben und der Umwelt gegenüber waren in der Typologie C.G. Jungs ein entscheidendes Kriterium zur Persönlichkeits-Differenzierung, auf dessen Basis er seine weiteren Unterscheidungen aufbaute. Die vierte Dimension der Struktur- bzw. Erfahrungsorientierung wurde von Myers/Briggs eingeführt und sollte so etwas wie eine ergänzende Vertiefung der anderen Jung'schen Typenparameter sein. Die Abgrenzung zu den übrigen Kriterien ist m.E. jedoch nicht ganz eindeutig oder zumindest diskussionswürdig. Daher möchte ich mich in den folgenden Kurzbeschreibungen ausschließlich auf die vier Typen beschränken, die sich aus den Kombinationen der mittleren beiden Dimensionen ergeben und denen sich auch C.G. Jung detailliert gewidmet hat. Aufgrund der Ausrichtung des MBTI auf die Arbeitswelt haben die Typenbeschreibungen eine Tendenz zu Persönlichkeitsprofilen für z.B. eine Bewerberauswahl.
Intuitiv-Rational
Der Typ „konzeptioneller Planer“ denkt streng logisch und ist erfinderisch. Er strebt nach Kompetenz und Wissen, entwickelt Modelle sowie Theorien und plant Strategien. Seine ausgeprägte Fähigkeit zum analytischen Denken ermöglicht es ihm, eine Vielzahl von Informationen zu ordnen und zu verarbeiten. Er widmet sich gerne den potentiellen Möglichkeiten und sucht Verbesserungen durch Veränderung. Dabei nimmt er sich jedoch Zeit, die Konsequenzen zu bedenken, indem er Chancen und Risiken gut gegeneinander abwägt. Durch seine ständige Bereitschaft, auf neue Ideen zu reagieren, fängt er zwar gerne Projekte an, zieht sie aber selten bis zum Ende durch. Da er fast ausschließlich über Verstehen kommuniziert, haben gefühlsbetonte Menschen Schwierigkeiten eine Gesprächsebene mit ihm zu finden.
Sinnesorientiert-Rational
Der Typ „effektiver Organisator“ ist ein Umsetzer und Macher, der gerne Richtlinien, Regeln sowie Terminpläne entwickelt. Er legt Wert auf Regeln und Abläufe und neigt dazu, sich an Hierarchien zu orientieren. Dabei ist er pflichtbewusst, verlässlich, gründlich, realistisch und zeigt sowohl Verantwortungsbewusstsein als auch Loyalität. Er äußert sich präzise und sammelt Fakten, um systematisch auf ein Ziel hinzuarbeiten und möglichst bald konkrete Ergebnisse zu erzielen. Auf Basis klar definierter Aufgaben achtet er auch auf Details. In Gemeinschaften fällt er dadurch auf, dass er stets weiß, was getan werden muss. Dabei hilft ihm seine praktische Veranlagung.
Intuitiv-Emotional
Der Typ „kollegialer Stratege“ hat sowohl das große Ganze (z.B. Zukunftsperspektiven oder die Lösung sozialer Probleme) als auch die Förderung und Entwicklung des Einzelnen im Auge. Seine besondere Stärke liegt im harmonischen und gleichzeitig authentischen Kontakt mit anderen, die er durch Anerkennung, Enthusiasmus und Zustimmung für eine Aufgabe begeistern und dadurch zu besonderen Leistungen motivieren kann. Er hat ebenfalls die Fähigkeit, Fakten innovativ zu interpretieren und in einen größeren Sinnzusammenhang zu stellen. Dadurch kann er sich sowohl flexibel auf neue Situationen einstellen als auch kreative Ideen entwickeln. Diese präsentiert er gerne in ausgefallener Form, da Originalität ein Wert für ihn ist.
Sinnesorientiert-Emotional
Der Typ „freundlicher Verhandlungspartner“ bemüht sich aus seinem Harmoniebedürfnis heraus, jeden in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen und sein Augenmerk auf die Bedürfnisse des Einzelnen zu richten. Er ist ein guter Beobachter, der sich für andere Menschen interessiert und auf deren subjektive Wertvorstellungen einfühlsam achtet. Er kann gut persönliche Gefühle ausdrücken und ist sich der Gefühle anderer bewusst. Auch wenn er sich am Sachverhalt orientiert und diesen klar kommunizieren kann, entscheidet er gern „aus dem Bauch heraus“ und urteilt bevorzugt nach Sympathie und Antipathie. Er lebt in der Gegenwart, legt gesteigerten Wert auf persönliche Erfahrungen und ist spontan sowie offen für Anregungen.
In diesen Beschreibungen wird deutlich, dass emotionale Charaktere bevorzugt extrovertiert und rationale eher introvertiert wahrgenommen werden. Zwischen diesen beiden Persönlichkeitsfaktoren besteht also ein sichtbarer Zusammenhang. Außer dem Jung'schen Modell bzw. dem MBTI ist mir sonst keine Typenlehre bekannt, die gleichzeitig beide Gegensatzpaare zur Differenzierung von Persönlichkeitstypen benutzt.
Der MBTI-Persönlichkeitstest wird fast ausschließlich kommerziell für die Personalberatung in Unternehmen oder als Coaching-Instrument angeboten. Über diesen Link gelangen Sie jedoch zu einem kostenlosen Kurztest, dessen Ergebnis auf Basis der MBTI-Typen dargestellt wird. Über die Qualität des Tests und der Auswertung kann ich aber leider keine Aussage treffen.
*) Wesentliche Teile der Klassifikations- und Typenbeschreibungen sind dem Buch „Typisch Mensch“ von Richard Bents und Reiner Blank (2004) entnommen.
Die Liebe ist die kleine Schwester des geliebten Lebens!
(Botho Strauss)