Sex, Paarung und Fortpflanzung aus Sicht der evolutionären Psychologie
Die evolutionäre Psychologie wurde in den 70er Jahren als eigene Wissenschaftsdisziplin und Teilbereich der Psychologie begründet. Aufgeblüht sind evolutionspsychologische Theorien jedoch erst in den 90er Jahren, als sich die Zahl wissenschaftlicher Publikationen sprunghaft erhöhte. In die evolutionspsychologischen Annahmen und Theorien fließen u.a. Erkenntnisse aus der Archäologie, der Paläontologie und der Evolutionsbiologie ein. Zu den bekanntesten Evolutionspsychologen gehören Steven Pinker und David Buss, die beide eine Reihe populärwissenschaftlicher Bücher veröffentlicht haben.
Die evolutionäre Psychologie (auch Evolutionspsychologie) möchte unbewusste Verhaltens-Programme des Menschen aufgrund evolutionsbedingter Effekte erklären. Dahinter steht der Gedanke, dass die Vorfahren der heute lebenden Menschen ihr Verhalten bestmöglich den sich verändernden Lebensbedingungen angepasst haben. Verhaltensmuster, die überlebt haben, müssen also in irgendeiner Weise vorteilhaft für das Fortbestehen der Gattung gewesen sein. Dies gilt natürlich insbesondere für die Fortpflanzung, denn die erfolgreichsten Fortpflanzungsstrategien sichern am zuverlässigsten die Weitergabe der eigenen Gene.
Ein wesentliches Argument der Evolutionspsychologen ist, dass die wesentlichen, noch heute wirksamen Verhaltensprägungen in den knapp 2 Mio. Jahren entstanden, in denen der heutige Mensch (Homo sapiens) und dessen Vorgänger (Homo erectus) in kleineren Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften zusammenlebte. Dem gegenüber ist der Zeitraum des menschlichen Zusammenlebens in größeren Agrargesellschaften (etwas mehr als 10.000 Jahre) verschwindend gering – und damit auch dessen Einfluss auf evolutionäre Prägungen. Dies gilt in besonderer Weise für die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten ca. 200 Jahre (und im sexuellen Kontext v.a. die Idee der romantischen Liebe).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Evolutionspsychologische Ansätze basieren nicht auf der Annahme, dass die ererbten Verhaltensprogramme unbeeinflussbar sind. Es handelt sich vielmehr um wahrscheinliche Verhaltensneigungen, die durch bewusste Entscheidungen durchbrochen oder zumindest umgelenkt werden können. Zudem nimmt der kulturelle Kontext darauf genauso Einfluss wie Persönlichkeitsmerkmale und situative Rahmenbedingungen.
Die folgende Beschreibung zunächst vom etwas aktuelleren Spermienkonkurrenz-Modell und dann dem Genoptimierungs-Modell (als "klassisches" Modell der Evolutionspsychologie) betrifft ausschnittsweise den Teilbereich der evolutionären Psychologie, der sich mit unserem evolutionären Erbe bzgl. Sexualität und Paarungsverhalten beschäftigt - und damit den vorteilhaftesten Fortpflanzungs-Strategien zur Weitergabe der eigenen Gene.
Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.
(Antoine de Saint-Exupéry)