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Extraversion und Introversion (das Vermächtnis C.G. Jungs)

Die Einführung der Begriffe Extraversion und Introversion in die Persönlichkeitspsychologie geht auf C.G. Jung zurück. In seiner in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen Typologie stellt dieses Persönlichkeitsmerkmal ein zentrales Unterscheidungskriterium dar. Zahlreiche Persönlichkeits-Modelle - u.a. die „Big Five“ (siehe Persönlichkeit) - greifen Extra- und Introversion als einen wichtigen Wesenszug neben anderen auf. Die beiden gerne in Unternehmen eingesetzten "MBTI"- und "DISG"-Persönlichkeitstests berücksichtigen diese Differenzierung ebenfalls.

 

Viele haben die Worte „introvertiert“ und „extrovertiert“ schon mal gehört hat und verbinden intuitiv bestimmte Wesensmerkmale damit (sprachlich korrekt heißt es eigentlich extravertiert, aber umgangssprachlich hat sich der Begriff extrovertiert etabliert). Doch für welche Persönlichkeitseigenschaften stehen diese Begriffe genau? Sowohl im äußerlich wahrnehmbaren Erscheinungsbild als auch in der inneren Befindlichkeit gibt es diesbezüglich leicht differierende Definitionen zwischen den einzelnen Persönlichkeitsmodellen.

 

Beginnen wir mit den Eigenschaften:

  • Extrovertierte sind kontaktfreudig, gesellig, gesprächig, aktiv, enthusiastisch sowie mimisch und gestisch ausdrucksstark. Die meisten Modelle verstehen darunter auch einen starken Willen zum Handeln und Gestalten. Extrovertierte treten danach bestimmt und energisch auf, haben erkennbaren Ehrgeiz und neigen zur Selbstdarstellung.
  • Introvertierte hingegen sind zurückhaltend, schweigsam, ruhig, passiv, schüchtern und reserviert. Sie ziehen sich gerne zurück, hören lieber zu und vermitteln mimisch und gestisch das Bild des stillen, konzentrierten Denkers. Während der Extrovertierte offen wirkt, wirken sie eher zugeknöpft.

 

Introvertierte richten gemäß C.G. Jung ihre psychische Energie nach innen. Sie sind schwer empfänglich für externe Reize, während Extrovertierte ihre Antennen ständig ausgefahren haben, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Nach einer Theorie des Persönlichkeitspsychologen Hans Jürgen Eysenck ist dies darauf zurückzuführen, dass Introvertierte sehr empfindlich auf äußere Stimuli reagieren. Auf diese Weise tritt schnell ein Zustand der Reizüberflutung ein, der abgewehrt wird, indem der Betroffene frühzeitig „dicht macht“ und sich so exzessiver Stimulation entzieht. Die höhere Toleranzschwelle für externe Stimuli der Extrovertierten - manche sprechen auch von „Unempfindlichkeit“ - führt zu einem größeren Reizhunger, der sich u.a. in Kontaktfreudigkeit niederschlägt.

 

Extrovertierte werden in der Regel als aktiv empfunden, sowohl hinsichtlich der Initiative bei Sozialkontakten als auch bei der Lösung von praktischen Problemen. Die vermeintliche Passivität des Introvertierten versetzt ihn jedoch oft in die Lage, Probleme, die mehr theoretisches Wissen erfordern, kompetent und zielführend zu lösen. Seine größte Gefahr ist, sich dabei selbst im Weg zu stehen, denn er liest lieber noch einen weiteren Fachartikel oder schläft nochmal zwei Nächte drüber, bevor er sich entschließt zu handeln.

 

Demgegenüber kann das Selbstvertrauen des Extrovertierten brüchiger sein, als es scheint. Seine durch zahlreiche Kontakte und routinierte Geselligkeit erworbene Souveränität im Umgang mit Menschen lässt ihn manche Schwierigkeit leichter bewältigen. Besonders Erfolgsverwöhnten droht jedoch ein tiefer Absturz, wenn durch eigene Fehler oder Schicksalsschläge ihr weit verästeltest „Sicherheits-Netzwerk“ nicht mehr trägt. Während Introvertierte zuweilen wie an einer lebenslangen Melancholie leidend wirken und einige auch eine leichte Tendenz zu depressiven Verstimmungen haben, ist die Fallhöhe des Extrovertierten bei einer Lebenskrise ungleich höher. Und dies kann dann dramatische Folgen haben, denn für manche Extrovertierte ist Drama ein Lebenselixier.

 

Abschließend sei noch hinzugefügt, dass es neben der introvertierten/extrovertierten Grunddisposition des Einzelnen auch ein situationsabhängiges Auftreten gibt. Gerade bei Menschen, die sich nicht überwiegend in einer der beiden Extreme bewegen, ist der situative Faktor recht hoch und wird noch ergänzt um so etwas wie unsere „Tagesform“. Wenn wir uns selbstsicher und kompetent fühlen, kürzlich vielleicht noch ein Erfolgserlebnis hatten, werden wir tendenziell extrovertiert auftreten. In einer von Selbstzweifeln dominierten Stimmung hingegen verhalten wir uns eher introvertiert. Besonders deutlich wird der stimmungsabhängige Faktor bei manisch-depressiv Erkrankten. Diese sind in depressiven Phasen extrem introvertiert und in manischen Phasen extrovertiert bis zur Euphorie.

Lache das Leben an, vielleicht lacht es zurück!

(Jean Paul)

lachendes Pferd