Erotik und Sex - ein Ringen zwischen Spiel und Macht
Zu Beginn einer Partnerschaft ist das sexuelle Begehren - wie manches andere auch - selten ein Problem. In der Phase der Verliebtheit hat man für alle zu entdeckenden Seiten am Partner genau zwei emotionale Schubladen:
- für die Gemeinsamkeiten: „Oh, vertraut - wie schön!“
- für die Unterschiede: „Oh, ganz anders - wie spannend!“.
Die damit verbundene gegenseitige Offenheit in dieser Anfangsphase ist in der Regel groß genug, um unterschiedliche sexuelle Vorlieben und Wünsche meist spielerisch überwinden zu können. Insofern findet in der Anfangszeit des „Eros“ oft auch der „Ludus“, die spielerische Liebe, seinen Platz.
Der Sex wird bei den meisten Paaren schwieriger, sobald das körperlich Stimulierende des Neuen und Unbekannten schwindet. Je bekannter und gewohnter einerseits der Körper und andererseits die sexuellen Gewohnheiten des Partners werden, desto mehr schwindet der Reiz des Eroberns und Erforschens. Aus Vorstellungen und Fantasien werden Tatsachen und Grenzen! Und diese wirken mit der Zeit meist langweilig und/oder einengend.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der ein ständiger Begleiter in vielen Beziehungsfragen ist: Macht! - Beim Sex der Verliebten wirkt die Macht der Eroberung noch besonders stimulierend und auch Machtspiele werden oft als lustvolles Element erlebt. Beim erotisch-spielerischen Sex wird Macht eher geschenkt oder geliehen als erkämpft. Genau an dieser Stelle jedoch wird die Vereinbarkeit von Alltag(-Kämpfen) und Erotik(-Spielen) zur Herausforderung für die Sexualität der meisten Paare.
Eskalieren nämlich Alltagkonflikte zu Machtfragen - was eher die Regel als die Ausnahme ist - gewinnen Fragen an Gewicht, die zu Beginn der Beziehung unwichtig waren: wer „hat recht“, wer „macht’s richtig“, wessen Gewohnheiten „sind besonders anstrengend“, wer „macht mehr Kompromisse“. Der Kampf um Trivialitäten ist in dieser Phase der Partnerschaft leider schon essenziell für die eigene Selbstachtung geworden. Wer jedoch regelmäßig um seinen Platz im Machtgefüge der Beziehung kämpft, kann kaum zwischendurch unverkrampft erotische Macht verleihen oder sich nehmen. Die Selbstbehauptungs-Kämpfe des Alltags werden so zum Hauptgegner eines unverkrampften sexuellen Gebens und Nehmens.
Insofern liegt der Kern von gestörter oder unbefriedigender Sexualität oft auch im Umgang mit Alltagskonflikten – und dort insbesondere bei möglichen ungelösten Machtfragen zwischen den Partnern. Der Schlüssel zur Lösung sexueller Probleme liegt mit anderen Worten häufiger dort als in den einzelnen erotischen Wünschen und Bedürfnissen. Beim Umgang mit sexuellen Fantasien lässt sich vieles auf dem Weg offener und empathischer Kommunikation konstruktiv lösen, wenn nicht das oft empfundene Machtgefälle genau diese Form des Austausches erschwert oder gar verhindert. Wer das nicht berücksichtigt, forscht bei der Lösungssuche schnell an der falschen Stelle.
Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt!
(Albert Schweitzer)